Man muss es mögen, Leute zu beobachten, und sicher ist das nicht jedermann gegeben. Reizvoll ist es auf alle Fälle, auch wenn man mitunter erstaunt angesehen wird. Vielleicht ist es ein unverschämtes Tun, vielleicht. Mit dem Feldstecher aus einer Deckung heraus, das wäre tatsächlich geschmacklos. Aber einfach so, unterwegs und mitten drin im Alltagsgeschehen?
Einmal habe ich folgendes mit ansehen können, und ein ganzer Film mit Vorgeschichte ist in meinem Kopf abgelaufen.
In der Tiefgarage war es, im Einkaufszentrum Witikon: Ein Mann und eine Frau gehen auf einen Offroader zu, verstauen eine prall gefüllte Einkaufstasche hinten im Wagen und steigen ein. An sich nichts Besonderes. Und doch!
Der Mann ist so um die 50, gross und mit einem unsympathischen Backsteingesicht. Die Frau ist sehr klein, sehr hübsch, sehr jung, kulleräugig und fast noch ein Kind. Sie stammt zweifellos von den Philippinen. Der Mann trägt die Tasche, tut energisch. Die Frau schmollt, schaut verschämt schräg vor sich auf den Boden, zieht ihren Kopf etwas zwischen die Schultern. Sie hat mit dem Mann höchstens in den Augenwinkeln ein wenig Sichtkontakt, so viel, dass sie neben ihm gerade noch gehen kann, ohne über seine Füsse zu stolpern. Das Backsteingesicht öffnet die Heckklappe, stemmt die Tasche mit einem Ruck hinein. Hierauf setzt es sich schwungvoll auf den Fahrersitz. Die kleine Frau klettert auch in das Riesending von Auto, das ihr wohl wie ein Bus vorkommen muss. Kein Wort wird gewechselt. Die Türen knallen. Der Motor startet und donnert und rumort in der Tiefgarage. Die beiden rollen davon.
Womöglich ist es so gekommen: Da hat sich einer mit Geld eine ohne Geld aus ihrer tropischen Heimat hergeholt. Weil sie kaum je Geld hatte, kann sie heute auch nicht damit umgehen und verfällt jeder Verführung. Darauf hat es die Verkaufspsychologie ja auch abgesehen: die Kundschaft zum Kauf von Dingen zu animieren, die man zwar nicht braucht, aber gleichwohl haben möchte.
Dabei kommt die kindliche Seele aus den Philippinen in einen Loyalitätskonflikt zwischen dem Kalbskotelett und dem pinkfarbenen Lippenstift, den es ja auch noch in dunkelrot gibt, was zum pechschwarzen Haar passen würde. Letztendlich leidet das Portemonnaie des Backsteingesichts an Schwindsucht.
Da muss doch mal ganz energisch eingegriffen und demonstriert werden, wie man sinnvoll postet in Helvetien.