Bernhard war ein Clown. Von Beruf aber war er Lehrer und eine ganze Generation älter als ich. Letzthin habe ich erfahren, dass er verstorben ist. Sicher werden sich alle seine Schüler, die er im Laufe seines Lehrerlebens im Schreiben und Rechnen unterrichtet hatte, gerne an ihn erinnern, und ich auch. Denn Bernhard war, wie eingangs erwähnt, ein äusserst närrischer Lehrer. Er hatte aber etwas Tragisches an sich. Vielleicht ist das etwas zu pointiert, aber voller Melancholie war er schon – und ständig krank. Er ging dann auch nach einem heftigen Herzinfarkt in Frühpension. Von da an widmete er sich nur noch seinen geliebten Pferden.

Bernhard war voller Einfälle und mit einem ganz ursprünglichen und dreisten Witz gesegnet. Wem allerdings die folgende Geschichte etwas unwirklich vorkommt, der muss bedenken, dass es tatsächlich eine Zeit gab, in der Volksschullehrer die Autorität eines Kurfürsten hatten.
Bernhard unterrichtete seinerzeit im Lavaterschulhaus in Zürich. Dieses Schulhaus war tüchtig in die Jahre gekommen. Es war einfach nicht daran zu denken, in Ruhe Schule zu geben. Der Holzparkettboden knarrte derart, dass Bernhards Nerven in einer unerträglichen Art strapaziert wurden.
Mehrmals wurde er bei der Schulpflege vorstellig und bat, den Fischgratparkett durch einen Kunststoffbelag ersetzen zu lassen. Der Hauswart unterstützte Bernhard in seinem Anliegen tatkräftig. Er ärgerte sich auch sehr über den Boden, allerdings nicht über das Knarren, sondern über all den Schmutz und Unrat, der in den breiten Ritzen verschwand.
Die Behördenvertreter indessen hatten kein Einsehen. Sie waren der Meinung, dass der Boden noch lange genüge und Hauswart, Lehrer und Schüler sich nicht derart prätentiös zu gebaren hätten.
Also blieb Bernhard gar nichts anderes übrig, als sich etwas einfallen zu lassen. Da er zwei Pferde besass, fiel es ihm nicht schwer, für einmal aufs Verreisen in den Sommerferien zu verzichten. Er blieb zu Hause und hegte und pflegte seine Pferde und den Parkettboden im Schulzimmer. Dort verteilte er Rasensamen fein säuberlich in die Ritzen und hielt den Boden, oder besser die Ritzen dazwischen, zusammen mit dem spitzbübischen Hauswart immer schön feucht. Der Rasen gedieh prächtig und war nicht zu übersehen.

Am ersten Schultag nach den Ferien öffnete Bernhard den Schülern die Zimmertüre, und da fiel die Rasselbande beinahe aus allen Wolken. Bernhard selber spielte den Überraschten, den komplett Überrumpelten, tat verzweifelt, verwarf die Hände und schickte die Schüler wieder nach Hause: «Sagt zu Hause, dass heute die Schule am Vormittag ausfällt, ich muss zuerst den Rasen im Schulzimmer mähen!»

Bernhard bekam in den Herbstferien einen Kunststoffboden.