Jetzt schaut der Kerl mich an wie eine verschreckte Graugans! Gegen das Waggonfenster gedrückt, die Neue Zürcher Zeitung zusammengeknüllt und die beiden Ellenbogen in seine Hüfte gedrückt hockt er da und zieht den Hals lang. Dabei kneift er den Mund zusammen, hält die Luft an und presst Blut in den Kopf. Er macht den Eindruck, als ob er gleich ein Ei legen wollte.
Er ärgert sich masslos über mich, und ich gestatte mir ein überlegenes Lächeln. Innerlich jubiliere ich, jauchze, frohlocke und jodle vor lauter Schadenfreude durch ein Hochgebirgstal.
Dem habe ich aber den Marsch geblasen! Nicht mit einem Alphorn, nicht mit Worten. Nein, ganz anders, viel leiser, viel eleganter, vielleicht aber etwas hinterhältig:

Selbst schuld ist er doch, dass er mir nicht Platz machte, wie es Anstand und Sitte gewesen wäre, der Kerl, der sich ganz unverschämt breit machte auf der Sitzbank im proppenvollen Zug. Die Beine gespreizt wie ein Sumoringer las er in seiner weit auseinandergefalteten NZZ, so, als ob er nicht mitbekommen hätte, dass er solcherart den allerletzten Platz im Bahnwagen zur Hälfte beanspruchte.
Ich war ausgelaugt nach einem mit Vorlesungen vollgestopften Tag am Reallehrerseminar und setzte mich halt trotzdem hin auf den Platz, der vielleicht gerade reichte für einen Spatzenhintern. Ich quetschte mich gegen die Armlehne, dass diese mir in die Hüfte einschnitt und mit der Zeit weh tat. Vor meiner Nase hatte ich eine halbe NZZ-Seite mit Sportnachrichten, die mich eh nicht interessierten.

Was sollte ich tun? Vom Hauptbahnhof Zürich bis nach Oerlikon zermarterte ich mir den Kopf darüber, wie ich wohl auf diese Frechheit reagieren könnte. Und da, eben in Zürich-Oerlikon, wusste ich, was zu machen sei. Hier stiegen jeweils müde Arbeiter aus der damaligen Waffenfabrik in den Zug und mussten im Waggonkorridor wegen Platzmangel stehenbleiben. Unter ihnen war mein Retter – ein ungemeines Schwergewicht. Ach was, Schwergewicht: ein verschwitztes Rhinozeros!
Ich nahm unschuldigen Augenkontakt mit ihm auf und fragte dann laut in die Menge, ob er sich auf meinen Platz setzen möchte. «Oh, ja gern, oh, oh, vielen Dank», ächzte er und kam prustend angewalzt, während ich mich erhob. Er stampfte zwischen die Knie der Sitzenden, wischte mit seinem kolossalen Hintern die Zeitung zur Seite und liess sich grochsend auf die Bank plumpsen.
Gegen das Waggonfenster gedrückt, sass der andere nun da …

Ach, noch was: In Gedanken bat ich den Dicken um Verzeihung.