Gedanken über Kunst

Mal ganz ehrlich: Wissen Sie, was Kunst ist?
Ich für meinen Teil weiss es nicht. Wie könnte ich auch, wenn Bansky seine eigenen Arbeiten schreddert und damit gleich noch eine stupende Wertsteigerung generiert (von 1 Million Pfund auf  deren 16 Millionen!), wenn der italienische Konzeptkünstler Piero Manzoni für «Merda d’Artista», seine eigene «Kacke» zu Portionen à je 30 g in Konservendosen abfüllen lässt, wenn diese auch noch nach 60 Jahren in Museen zu finden sind und gar vor 12 Jahren bei Sotheby’s für über 130’000 Euro versteigert wurden, wenn Maurizio Cattelan 2019 eine Banane an die Wand klebt und für 120’000 Dollar verkauft? 

Da mag man vielleicht die Nase rümpfen über die Verknüpfung von Geld und Kunst, aber einer perfekten Groteske ist Aufmerksamkeit halt zwingend sicher. Und Aufmerksamkeit lässt sich vermarkten. So gesehen ist womöglich immer die Idee per se Kunst.  Nur müsste sie, die Idee, halt einmalig sein, müsste nicht kopierbar sein!
Ist sie aber gleichwohl, denn nach wie vor scheint es, als ob irgendein Gegenstand, nur mal in eine Kunsthalle gestellt, schon zur Kunst geadelt wird, ganz im Geiste des Marcel Duchamp, der vor über 100 Jahren ein einfaches Urinal ausstellte und damit gleich eine neue Kunstrichtung schuf. 

Die künstlerische Leistung scheint heute nunmehr lediglich zu sein, darüber nachzudenken, welche Groteske mit welcher abstrusen Idee noch getoppt werden könnte. 
Ursula Koch, die pragmatische Politikerin und ehemalige Stadträtin von Zürich, (von Hause aus Chemikerin) hat es mal mit einem Wort auf den Punkt gebracht: Das ist «Sauglattismus». 
Damit hat sie zeitgenössische Kunst für sich selbst von ernsthaften Qualitätskriterien losgelöst. 

Warum sich überhaupt den Kopf zerbrechen? Es sind ohnehin die schiere Kauflust, das Jagdfieber und die materielle Beutegier der Sammlergemeinde, die die Preise für Gegenwartskunst in die Höhe treiben, dass es kein Halten mehr gibt. Verunsicherte, die wir wohl alle sind, halten sich an Folgendes: Was teuer ist, muss gut sein! Es wären folglich verwegene Preise allein schon ein Kaufargument.

Diese Maxime steht allerdings auf tönernen Füssen. Betrachten wir die Preisentwicklung des «Salvator Mundi». Was das Bild im Entstehungsjahr (ca. um 1500, in Öl, ca. 60cm x 40cm) gekostet hat, ist nicht bekannt. Hingegen ersteigerte es ein Amerikaner 1958 für 45 Pfund. 1987 bezahlte ein Auktionshaus für das Werk 1175 Dollar. Nachdem das Bild dann 2007 Leonardo da Vinci zugeschrieben wurde, begann die Preisspirale zu tanzen. Es wechselte für 83 Millionen Dollar den Besitzer, wurde an einen russischen Oligarchen für 127 Millionen Dollar weiterverschachert, um schliesslich für über 400 Millionen Dollar nach Saudi-Arabien zu verschwinden, vermutlich in die private Schatzkammer des Kronprinzen Mohammed bin Salman.

Das Bild erfuhr somit eine Wertsteigerung um rund 34 Mio. Prozent, hat sich aber keineswegs verändert. In seiner künstlerischen Qualität ist es nicht modifiziert worden. Bekannt geworden ist lediglich die Identität des Schöpfers des Werkes – ganz sicher ist sich die Fachwelt da allerdings nicht. 

Es bleibt somit noch der Name des Künstlers. Daran muss man sich halten, bevor man das Portefeuille mit den Banknoten aus dem Jackett hervorholt. 

Aber lassen wir das mal. Sicher ist, dass man sich einen Namen machen muss, unbedingt, will man denn als „Künstler“ breit wahrgenommen werden. Wobei der Begriff „Kunst“ flugs nach kommerziell gesteuertem Gusto verwendet wird und dann unter Umständen nur sehr schwer ins Weltbild eines sensitiven Menschen passt. Ganz sicher dann nicht, wenn ein Aktionskünstler einen geradezu barbarischen Akt inszeniert, wie etwa Wolfgang Flatz. Er liess einen mit Sprengkörpern gefüllten Kuhkadaver aus einem Helikopter werfen, während er nackt und blutverschmiert an einem Baukran baumelte. Angeblich wollte er damit die „merkwürdige Angst der Menschen vor der Begegnung mit Fleisch“ thematisieren. (Ganz gewiss ein unverzichtbarer Beitrag zur Erleuchtung der Menschheit!)

Und die Presse war da. Ganz einfach deshalb, weil kein Presseorgan es sich leisten kann, bei einer solch bizarren Abartigkeit nicht da zu sein. 

Nun aber ist es genug der Beispiele: Ich muss mir für mich selber meine eigenen Gedanken machen, schlicht weil ich kein Spieler in den genannten Ligen bin. Das möchte ich allerdings auch nicht, und dieser Verzicht ist in keiner Weise dem Neid geschuldet. Meine Arbeiten sollen nicht verblüffen, nicht erstaunen, nicht erschrecken und schon gar nicht belehren und die Welt verbessern, weil ich deren Gefüge eh nicht durchschaue. 

Ein Besucher brachte es indessen einmal auf den Punkt. Er kam auf einen Schwatz und eine Tasse Kaffee vorbei und betrachtete immer wieder eines meiner Aquarelle an der Wand.  Unvermittelt meinte er: «Dieses Bild tut meinen Augen gut.»  
Genau das möchte ich: dass meine Arbeiten den Augen des Betrachters guttun – und meinen auch!

Quellen:
Div. Pressetexte, v.a. Feuilleton NZZ