Sie kennen Raclette. Das macht man meistens mit einem Elektro-Tischherd, unter den man kleine Pfännchen schiebt. In die hinein werden Käsescheiben gelegt, die schmelzen sollen. Das geht ganz gut, macht wenig Aufwand und ist vor allem sehr schmackhaft – wenn man Käse mag.
Als Walliser (aus dem Kanton Wallis hat Raclette seinen Siegeszug angetreten) habe ich allerdings für diese Art der Zubereitung mitunter nur ein müdes Lächeln übrig.
Das Raclette macht man traditionellerweise mit einem halben Käselaib unter einem Rechaud oder am Feuer auf der Alp, wobei der Käse auf einem flachen Stein an die vorbereitete Glut herangeschoben wird.
Einmal mietete ich zusammen mit Bernhard und weiteren Mitstudenten eine Wohnung in Erlach am Bielersee. Wir machten im nahen Neuenburg einen Sprachaufenthalt, um unser Französisch etwas aufzupolieren.
Gerne wollte ich alle ein bisschen kulinarisch verwöhnen. So nahm ich mein Rechaud mit, zusammen mit einem halben Raclettekäse aus dem Oberwallis.
Als wir die Wohnung bezogen, legte ich den Käse vorerst mal auf den grossen, freistehenden Kühlschrank. Hierauf räumte ich meine mitgebrachte Wäsche in den Kleiderschrank.
Nach einer gewissen Zeit, es dauerte wirklich nicht sehr lange, roch es in der Wohnung sehr penetrant nach Käse. Ich wiegelte alle Bedenken und Befürchtungen ab mit der Belehrung: «Ein echter Raclettekäse riecht immer recht würzig. Ich musste ihn halt auspacken, damit er seinen Goût entwickeln kann.»
Der Geruch wurde allerdings so intensiv, dass er gar als Gestank bezeichnet werden konnte und wir der Ursache nachgehen mussten. Zweifellos kam er aus der Küche und vom Kühlschrank her.
Ein Kühlschrank hat die spezifische Eigenschaft, dass er zwar die Speisen kühlt, aber die Wärme abführen muss, die er seinem Innenraum entzieht. Die alten Modelle heizen ganz schön stark. Bei jenem Kühlschrank waren die Abluftschlitze auf der Oberseite angebracht, genau da, wohin ich den Raclettekäse gelegt hatte. Der Käse schmolz nun in den «Motor» (man verzeihe mir diesen unfachmännischen Ausdruck!) hinein und erfüllte die ganze Wohnung für vier lange Wochen mit einem Duft, der einer alten Alpkäserei in nichts nachstand.
Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen. Noch Jahre danach lachte mich Bernhard aus und bezeichnete mich als den einzigen Schweizer, der mit einem Kühlschrank und nicht mit einem Rechaud Raclettekäse schmilzt.