Als Oberstufenlehrer muss man sich einiges gefallen lassen. Von durchtriebener Bosheit sind die Schüler meist nicht. So gehören denn die Streiche, die sie ihren Lehrern spielen, in aller Regel zu jenen der harmlosen Sorte. Sie haben aber leider den Nachteil, dass sie mit der Zeit äusserst langweilig werden, weil sie zu einem jahrealten Schülerrepertoire gehören, das nie einem Update unterzogen wird.
So war einmal in meiner Klasse eine eigentliche Manie ausgebrochen. Jeder wollte mich unbedingt mit einem Streich veräppeln. Das ging indessen nicht über die Reissnägel auf dem Stuhl und den tropfnassen Schwamm auf der Wandtafel hinaus. Nie bin ich in die Falle getappt und habe sämtliche Fallgruben vorausgesehen. Da stach mich doch selber der Hafer, und ich wollte wissen, ob es denn überhaupt noch einen Streich gäbe, den ich nach Jahren im Schulzimmer noch nicht kannte. Also versprach ich all jenen eine Schokoladentafel, die mich mit einem mir unbekannten Schabernack zur Strecke bringen würden.
Lange Zeit verdichtete sich die Kadenz des Firlefanzes, mit dem ich verblüfft werden sollte fast bis zur Unerträglichkeit. Unerträglich waren nicht die Narreteien an sich, sondern ihre Einfallslosigkeit. Aber es sollte nicht so bleiben, und einmal wurde ich tatsächlich hinters Licht geführt.
Ich bat Beat, mir in der Werkstatt eine Zange zu holen, damit ich den Hellraumprojektor reparieren konnte. Er bekam meinen Schlüsselbund. Damit trollte er sich und kam mit einer Flachzange zurück. Nach dem Unterricht machte ich mich etwa um vier Uhr an die Reparatur des Gerätes und ging anschliessend nach Hause. Ich wollte die Schulzimmertüre verschliessen, nur konnte ich das nicht tun. «Das ist doch schon ein Kerl, der Herrmann. Wechselt einfach das Schloss aus, ohne es mir zu sagen», dachte ich mir. Der Hauswart Herrmann E tauschte immer die Zylinder am Türschloss aus, wenn er etwas am Fussboden zu reparieren hatte. Er mochte es eben nicht, dass ein übereifriger Lehrer mitten in der Nacht, wenn er etwas im Zimmer vergessen hatte und es holen kam, auf dem Flick herumtrampelte. Im Parterre schloss ich das Schulhaus ab. Das heisst, ich versuchte es mit dem gelben Schlüssel, und es ging wiederum nicht. «Dieser Strizzi von Hauswart, muss wohl gleich überall am Boden über Nacht etwas ausbessern», überlegte ich, «er hätte aber auch etwas sagen können.» Ich fuhr nach Hause und konnte die Haustüre nicht öffnen. Der rote Schlüssel passte einfach nicht ins Schloss. Da dämmerte es mir endlich.
Anderntags erschien ich mit zwei Schokoladentafeln in der Schule und machte mit der Klasse gleich ein Ratespiel. «Wer herausfindet, wie mich Beat verkohlt hat, der bekommt auch eine!» machte ich der Klasse bekannt und zeigte den Schlüsselbund vor.
Beat erhielt dann beide Tafeln, weil niemand dahinterkam, dass er einfach die farbigen Schlüsselkappen vertauscht hatte.
Ich gönnte es ihm von Herzen; weil er zum einen niemandem von seinem Streich erzählte und weil er zum anderen ein leistungsschwacher Schüler war – offensichtlich nur in den Schulfächern.