Bernhards Frau Susi war schwatzhaft. Das kam ihm jedenfalls so vor. Ob sie tatsächlich einer auffälligen Schwatzhaftigkeit verfallen war, kann ich nicht beurteilen. Bernhard jedenfalls regte sich oft über Susis ausuferndes Bedürfnis auf, sich mit der Nachbarin stundenlang zu unterhalten. Dabei taten die beiden dies, indem sie sich aus den angrenzenden Stubenfenstern lehnten und miteinander schnatterten.
Wenn die zwei Damen es nach der Meinung von Bernhard zu bunt trieben, wandte er einen raffinierten Kunstgriff an. Er verriet ihn mir, und ich probierte ihn an meiner Ehefrau Edith aus. So ging er, und er funktioniert wohl immer noch. Allerdings darf man heute nicht vergessen, die Anrufnummer zu unterdrücken:
Edith also hatte einst am Gartenzaun mit Helene W, unserer ehemaligen Nachbarin, ein Stelldichein, das mir endlos lange vorkam. Nicht, dass ich der Meinung war, Edith hätte Gescheiteres zu tun. Nicht, dass ich ihr die intensive Unterhaltung missgönnte. Vielleicht war ich wohl einfach etwas konsterniert, dass ich selber zu wenig Aufmerksamkeit genoss, oder ich war schlicht in einer toxischen Stimmung. Jedenfalls kam mir dann Bernhards Kunstgriff in den Sinn, und ich wollte doch gerne sehen, ob es damit auch bei mir klappen könnte.
Es herrschte sommerlich warmes Wetter und alle Fenster und Glastüren zum Garten hin standen offen. In einem Anflug von gemeiner Hinterlist also ging ich zum Telefonapparat und wählte die Nummer von Helene W. Durch das Wohnzimmerfenster sperberte ich in den Garten nach den beiden Frauen und beobachtete, was sich nun entwickelte. Und es geschah alles genau so, wie es mir Bernhard von seiner Frau Susi und ihrer Nachbarin berichtet hatte.
Helene W fuchtelte aufgeregt mit den Armen in der Luft herum und entschuldigte sich: «O Edith, sorry, du, es tut mir leid. Bei mir läutet das Telefon. Wir müssen das Gespräch jetzt abbrechen, aber wir sehen uns!» Stracks eilte sie durch den Garten und verschwand durch die Terrassentüre im Haus.
Genau in diesem Augenblick legte ich den Hörer auf.