Ein Samichlaus muss Kinder mögen, und ich mag Kinder. Deshalb fragte mich Marianne anfangs letzten Dezember, ob ich ihre Kindergartenklasse in einem Waldhaus im Horgener Wald besuchen würde: als Samichlaus eben. Ich sagte zu, und sie bereitete alles vor: einen Jutesack mit allerlei Naschwaren und dem Sündenregister der Kinder drin. Sogar einen alten Esel hatte sie von einem Bauern angeheuert. Vom heimatlichen Bauernhof des Esels musste ich losgehen, zusammen mit dem Jutesack. Den Weg beschrieb mir die Bäuerin sehr genau.
Sie gab mir noch eine Stofftasche mit Karotten mit, falls der Esel nicht weiterlaufen wolle. Den schweren Sack mit den Nüssen, Mandarinen und allerlei Leckereien musste ich tragen, den Esel musste ich führen und in der freien Hand, die ich ja gar nicht mehr hatte, schleppte ich noch die Rüeblitasche mit.

Nun, die Reise war anstrengend, sehr anstrengend. Der Esel dachte nicht daran, den Sack zu buckeln, und ebenso wenig, zügig zu marschieren. Ständig stand er still. Wenn ich mich umdrehte, um ihm ein Stück Rüebli zuzustecken, stellte er erschreckt und entsetzt die Ohren auf Halbmast. Dabei stemmte er die Beine erst recht in den Schnee. Er fürchtete sich vor dem bärtigen Wesen, das ihn da am Strick führte. Es hatte recht viel davon, vom Schnee, und die Wegsstrecke war einfach nicht zu bewältigen. Nicht mit dem bockigen Vieh, das zwar niedlich aussah, das ich aber ganz unweihnächtlich zum Teufel wünschte. Ich überlegte mir ernsthaft, ob ich es nicht einfach seinem Schicksal überlassen sollte, um hernach zu behaupten, dass der trottelige Esel ausgerissen sei. Aber als Samichlaus passt es einfach nicht zu lügen. Also trug ich weiterhin schwer am Sack, also zog ich weiterhin kräftig am Strick, setzte weiterhin ständig den Jutesack ab und stopfte weiterhin das Grautier mit Rüebli voll.
Darob verging so viel Zeit, dass die Kinder im Waldhaus nicht mehr warten mochten. Zusammen mit Marianne, die sich bereits sorgte, kamen sie mich suchen. Ich hörte sie rufen und johlen durch den Wald: «Samichlaus, Samichlaus, Samichlaus… wo bisch, wo bisch?» Ich meinerseits rief dann die Kinder und war heilfroh, dass sie mich ohne Weiteres fanden. Innert Kürze waren wir dann beim Waldhaus. Der hinterlistige Esel, trabte nämlich leichtfüssig wie ein junger Spund durch den Wald, so dass ich kaum hinterherkam. Die Kinder rannten um das Grautier herum, tätschelten und kraulten es an allen Körperstellen und fütterten es unablässig mit Rüebli.

Als dieses Ungemach überstanden war, kam gleich das nächste: Ich war derart verschwitzt und ausser Atem, dass mir die Brille in der warmen Hütte beschlug. Es war schlicht unmöglich, das Sündenregister der Kinder zu lesen. Das Schwitzen wollte nicht aufhören, weil im Kamin so ein riesiges Feuer brannte, als gälte es, den ganzen Schnee in der Umgebung zu schmelzen. Also musste mir Marianne die Sünden der Kleinen jeweils vorlesen. Ich kommentierte die Texte, formulierte sie da und dort etwas um, so dass die Kinder von meiner Not möglichst wenig merkten.
Sie hatten ihre helle Freude am schrulligen Samichlaus, der so alt war, dass er nicht mehr lesen konnte und nicht einmal wusste, wie man mit einem Esel umgeht.